Neue Kriegspartei

Der Weg der Grünen in die NATO

Von Jutta Ditfurth
in Junge Welt vom 26.3.09

Vor zehn Jahren beteiligte sich Deutschland an seinem ersten Krieg seit 1945. Niemand hatte sich vorstellen können, daß ausgerechnet eine vormals pazifistische und antimilitaristische Partei wie die Grünen diesem NATO-Krieg gegen Jugoslawien den Weg ebnen würde. Ab 24. März 1999 fielen die ersten Bomben. Menschen starben auf Wiesen, in Häusern, in Zügen, auf der Flucht, in Krankenhäusern, Fabriken, Studentenwohnheimen und Schulen. In Krankenhäusern fiel der Strom aus, Strahlenbehandlungen gegen Krebs wurden abgebrochen, Brutkästen abgestellt und Dialysegeräte abgeschaltet.

Die NATO flog in 78 Kriegstagen 38000 Lufteinsätze und warf 9160 Tonnen Bomben ab. Ihre Luftangriffe verwandelten Chemiefabriken und Petroleumraffinerien in Giftbomben. Phosgen schädigte die Atemwege, krebserregende Dioxine reicherten sich in menschlichen Körpern an. Quecksilber, Zink, Kadmium und Blei verseuchten die Trinkwasserreservoirs. Jugosla­wien hatte der NATO vor dem Krieg sogar einen Plan der chemischen Anlagen gegeben, um vor den Folgen eventueller Angriffe zu warnen, aber die NATO bombardierte auf Basis dieses Plans. In 100 Flügen mit A-10-Flugzeugen feuerte die NATO außerdem rund 31000 Geschosse mit insgesamt zehn Tonnen abgereichertem Uran auf Jugoslawien ab. Eine »strahlende« humanitäre Intervention, krebserregend und umweltverseuchend. Kein Wort der Kritik von den Grünen oder Greenpeace. Der Preis der »Realpolitik«

Keine Partei kommt in Deutschland an die sogenannte Macht, ohne mit grundlegenden linken Positionen zu brechen, sie muß den Antikapitalismus abwerfen und der NATO Treue schwören. Das haben wir seit 1945 bei der SPD beobachten können, dann bei den Grünen und aktuell bei der Linkspartei. Nur die Verlaufsformen sind unterschiedlich.

Die Grünen entsprangen den neuen sozialen Bewegungen und hatten ihre Wurzeln in der Anti­atom- und in der Friedensbewegung. Zwischen 1989 und 1991 traten wegen ihrer Rechtsentwicklung rund 10000 Mitglieder aus. Die meisten waren linke Aktivisten. Sie wurden durch neue Mitglieder ersetzt, die größtenteils auch in die FDP hätten eintreten können.

Dabei hatte alles ziemlich pazifistisch angefangen. In ihrem ersten Parteiprogramm (1980) wollten die Grünen die Militärbündnisse NATO und Warschauer Pakt sofort auflösen, »einseitig« abrüsten und die Bundeswehr abbauen. Im »Friedensmanifest« (1981) lehnten sie den Einsatz der Bundeswehr sogar für den Fall ab, daß die Bundesrepublik militärisch angegriffen werden würde. 1983 beschlossen sie »die Auflösung der beiden Militärblöcke NATO und Warschauer Pakt. Wir müssen raus aus der NATO.« Das wiederholten die Grünen bei der Bundestagswahl 1987: »Wir müssen raus aus der NATO, weil es mit der NATO keinen Frieden geben kann und die Schwächung, Desintegration und schließliche Aufhebung dieses Bündnisses unabdingbar ist, um Frieden zu schaffen. Die NATO ist nicht reformierbar.« Die Grünen erhielten das bis dahin höchste Wahlergebnis von 8,3 Prozent.

Aber inzwischen hatte der rechte Parteiflügel, die »Realos«, begonnen, hinter dem Rücken der Partei mit der SPD zu kungeln. Petra Kelly mißtraute ihnen: »Die NATO ist für die Realos plötzlich fast ein Friedensbündnis. Das bedeutet die Preisgabe gewaltfreier Politik.« Aber die Realos gaben das noch nicht offen zu. 1988 behauptete Joseph Fischer in einem stern-Streitgespräch, daß er aus den Grünen »Reißaus nehmen würde«, wenn die Partei eines Tages in die NATO integriert sei und das staatliche Gewaltmonopol akzeptierte.

Daniel Cohn-Bendit war seit Beginn der bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in Jugoslawien Anfang der 1990er Jahre für eine militärische Intervention gewesen. Als einer der ersten betrieb er die Relativierung, er verglich die Situation im belagerten Gorazde mit der der Juden im Warschauer Ghetto und forderte eine militärische Intervention (siehe FAZ v. 21.4.1994). Anfangs repräsentierte Cohn-Bendit noch eine kleine bellizistische Minderheit, eine mit rassistischer Schlagseite. Auf einer grünen Bundesversammlung im Oktober 1993 brüllte er, man müsse Truppen nach Bosnien schicken, denn die bosnischen Muslime seien Teil der europäischen Kultur: »Menschen von unserem Blut«.

Theatralischer Schaukampf

Bald inszenierten Cohn-Bendit und Fischer einen theatralischen Schaukampf, der auf die Parteibasis und auf die grünen Wähler wirken sollte. Fischer lehnte, im Gegensatz zu Cohn-Bendit, scheinbar immer noch jeden Einsatz bundesdeutschen Militärs auf dem Balkan ab: »Ich bin der festen Überzeugung, daß deutsche Soldaten dort, wo im Zweiten Weltkrieg die Hitler-Soldateska gewütet hat, den Konflikt anheizen und nicht deeskalieren würden.« Als beschriebe er seine künftige Vorgehensweise, sagte er aber auch: »Für die Zukunft sehe ich die erhebliche Gefahr, daß die Bundesregierung, Koalition (gemeint war die CDU/FDP-Koalition – J.D.) und Generalität nach den Gesetzen der Salamitaktik Anlässe suchen und Anlässe schaffen werden, um die Barrieren abzuräumen, die es gegenüber der Außenpolitik des vereinigten Deutschland noch gibt. Als Vehikel dienen dabei die Menschenrechts- und Humanitätsfragen.«

Cohn-Bendits und Fischers öffentliche Auseinandersetzungen über die Kriegsfrage hatten das Ziel, die Grünen rechtzeitig zu den Bundestagwahlen 1998 in eine regierungsfähige – das heißt in Deutschland immer auch: militaristische – Partei zu verwandeln und dabei vormals linksalternative Parteimitglieder und Wähler mitzunehmen. Cohn-Bendit spielte, was er ist: den gewaltverliebten Kriegshetzer. Fischer spielte, was er nicht ist: den von moralischen Zweifeln gequälten Antimilitaristen.

Immer schneller folgte die grüne Partei den Anforderungen des künftigen Koalitionspartners SPD, Beschluß für Beschluß, über Blauhelmeinsätze bis zum Krieg. 1995 schrieb ich: »Hat einer [bei den Grünen] noch Zweifel an der friedensstiftenden Wirkung von Krieg, wird er Schritt für Schritt in großdeutsche und nationale Logik eingebunden. Es gibt keine andere deutsche Partei, der es gegenwärtig vergleichbar erfolgreich gelingen könnte, einen skeptischen, ökologisch angehauchten und sozial noch nicht vollends skrupellosen Teil der Mittelschicht in die herrschende Politik einzubinden und mitzuziehen: heim ins Reich, notfalls in den Krieg.« Für die Unterstellung, die Grünen könnten eines Tages deutschen Militäreinsätzen zustimmen, wurde ich damals auch von Linken angegriffen und der Übertreibung beschuldigt.

Einen emotionalen Anlaß, den Fischer für den letzten Akt seines Theaters brauchte, lieferten ihm bosnische Serben, die im Juli 1995 die bosnischen UN-Schutzzonen Srebrenica und Zepa überrannten. Die damals nicht restlos geklärten Ereignisse – war es ein Massaker oder eine kriegerische Auseinandersetzung? – genügten Fischer, um pathetisch zu erklären: »Läuft die deutsche Linke jetzt nicht massiv Gefahr, ihre moralische Seele zu verlieren, wenn sie sich, egal mit welchen Ausflüchten, vor diesem neuen Faschismus und seiner Politik der Gewalt wegduckt?« Die grüne Klientel zeigte sich aber immer noch nicht kriegsbereit, also war auch Fischer noch nicht für den Einsatz von deutschen Truppen.

Endlich am Ziel

1998 durften die Grünen endlich mitregieren. An der Macht waren sie nicht. Schröder mochte Koch und Fischer Kellner sein und damit die interne Hierarchie zwischen den beiden geklärt, aber – um in Schröders törichtem Bild zu bleiben – die Kneipe gehörte anderen. Beide rüttelten weder an der Eigentumsfrage noch an der Mitgliedschaft in der NATO oder deren Interessen.

Dümmere Journalisten – oder solche, die ihr Publikum verarschen wollten – sorgten sich nach der Bundestagswahl 1998, ob Wa­shington einen Exrevoluzzer als Außenminister akzeptieren würde. US-Medien machten sich über die deutschen Zweifler lustig. Eine Sprecherin des State Department erklärte: »Aber die Grünen sind für uns keine unbekannte Größe, und Fischer (ist) keine Überraschung«. 1996 war Fischer in Wa­shington »bei einer Begegnung mit Abgeordneten des außenpolitischen Ausschusses sehr gut« angekommen (State Department). Der US-Kongreß hatte keine Bedenken gegen Joseph Fischer, vollständig domestizierte Exlinke sind manchmal sehr nützlich.

Zur Überraschung aller, die ihn kannten, behauptete Fischer, als er 1998 Außenminister geworden war: »Ich war weder gegen die USA noch gegen die NATO. Ich gehörte zu jener Handvoll, die 1985 auf dem Parteitag der Grünen gegen den ›Raus aus der NATO‹-Beschluß stimmte.« Niemand hat es gesehen, aber es ließen sich heute gewiß ein paar Fischer’s Friends finden, die ihm das, wie gewünscht, bestätigen.

Fischer wurde 1998 Außenminister und verkündete im Stile Kaiser Wilhelms II.: Ich kenne keine grüne, ich kenne nur noch deutsche Außenpolitik. »Die Außenpolitik Deutschlands« habe sich »durch die neue Bundesregierung (…) in ihrem Kern« nicht verändert, lobte denn auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung: »Bundeskanzler Schröder und sein Außenminister Fischer beherzigen – ihrem Kontinuitätsversprechen folgend – die Prinzipien außenpolitischen Handelns, wie sie Kohl in Erz gegossen hatte.«

»Nur eine Formalität«

Am 16. Oktober 1998, faßte der alte Bundestag mit Zustimmung der neu gewählten Abgeordneten einen Vorratsbeschluß, sich an eventuellen NATO-Luftangriffen gegen Jugoslawien zu beteiligen. Fischer empfahl den grünen Abgeordneten die Zustimmung. Nur neun von 48 Grünen stimmten noch gegen den Krieg. Ich kommentierte: »Von deutschem Boden kann wieder ein Krieg ausgehen. Die NATO hat eine rotgrüne Kriegsregierung auf Abruf.« (ND v. 14.11.1998) Wieder wurde ich der Übertreibung geziehen. Fünf Monate später begann der Krieg.

Fischer jammerte später: »Fünfzehn Minuten blieben uns [am 12. Oktober 1998], um eine Frage von Krieg und Frieden zu entscheiden«. Das ist natürlich auch nicht wahr. Entschieden war die Frage schon bei einem Besuch von Fischer und Kanzlerkandidat Schröder in Washington gleich nach der Bundestagswahl. Am 9. Oktober 1998, sie waren noch nicht vereidigt, besuchten Gerhard Schröder und Joseph Fischer Washington. Noch vor der Begegnung mit William Clinton erklärten Schröder und Fischer, daß sie bereit seien, die Politik der alten Regierung fortzusetzen – auch gegen Jugoslawien. Die deutsche Entscheidung zum NATO-Krieg wurde gleich nach dem Gespräch mit Clinton gefällt. Noch am selben Abend legitimierten die NATO-Botschafter in Brüssel den Krieg juristisch. Als am 12. Oktober der NATO-Rat zusammentrat, handelte es sich »nur noch um eine Formalität«.

Fischers Schleimspur

Fischer kam ohne Hausmacht ins Auswärtige Amt. Vom ersten Moment an hinterließ er eine breite Schleimspur und unterwarf sich dem Apparat der herrschenden Ministerialbürokratie. Er unterstützte Eliteschulen für Diplomatenkinder. »Selbst über die Steuervorteile der Diplomaten hielt Fischer seine schützende Hand, aus der ihm seine Leute seither fressen«, verriet Die Zeit. Auch das Lob der Frankfurter Allgemeinen Zeitung war für einen angeblichen Linken vernichtend: »Den dicksten Stein hat Fischer aber bei den Diplomaten im Brett, weil er sich erfolgreich für die volle Beibehaltung der bisherigen Auslandszulage gegenüber dem Koalitionspartner einsetzte. Beim Geld fängt die Freundschaft an.« Fischer »ließ selbst enge Vertraute seines Vorgängers an ihrem Platz« und besetzte zentrale Botschafterstellen mit Vertrauten der Kohl-Regierung.

Der Druck der USA auf die deutsche Regierung wurde größer. Andere Methoden, Jugoslawien zu unterwerfen, waren erfolglos geblieben. Die NATO betrachtete Jugoslawien als »Riegel« vor ihren Interessen in Zentralasien. Es hatte Versuche gegeben, diesen Riegel »friedlich« zu sprengen, mit allen Mitteln zivilgesellschaftlicher Nötigung. Man destabilisierte – mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) – die jugoslawische Wirtschaft. Man bot Weltbank-Kredite,1 sofern Jugoslawien sich unterwerfe.

Greuelpropaganda

US-Außenministerin Madeleine Albright verlangte im Januar 1999, Milosevic endlich mit NATO-Aktionen zu drohen. Aber die Stimmung in der deutschen Bevölkerung war noch nicht so weit. Es bedurfte des angeblichen Massakers in Racak. Der Leiter der Kosovo-Beobachtermission der OSZE, William Walker, »fand« am 16.Januar 1999 beim Dorf Racak etwa 40 Leichen in einem Graben. Er attackierte sofort in allen internationalen Medien »das serbische Massaker« an unschuldigen kosovo-albanischen Zivilisten. Walker war früher Abteilungsleiter in der US-Botschaft in El Salvador, dann, von 1988 bis 1991, Botschafter. Ihm wird vorgeworfen, verantwortlich dafür gewesen zu sein, daß den Contras in El Salvador Waffen zum Angriff gegen Nicaragua geliefert wurden. Als im November 1989 ein von den USA ausgebildetes salvadorianisches Militärbataillon in der katholischen Universität von San Salvador sechs jesuitische Priester, die Köchin und deren 15jährige Tochter ermordet hatte – die Toten wurden der Sympathie für unterdrückte Bauern »verdächtigt« –, erklärte Walker: »Solche Situationen [können] immer außer Kontrolle geraten«. Walker prahlte jetzt damit, daß die Weltöffentlichkeit ihm und nicht den Serben glauben werde. So war es. Die Nachricht von bestialisch verstümmelten Leichen lief um die Welt und funktionierte bestens als letzter Anstoß für den Krieg. Das Massaker von Racak flog später als Inszenierung auf. Journalisten aus den USA und aus Frankreich sowie finnische Pathologen recherchierten. Kurz gefaßt war es wohl so, daß nach einer bewaffneten Auseinandersetzung getötete kosovarische UCK-Kämpfer umgekleidet und als Zivilisten ausgegeben worden waren. Der Bericht der finnischen Pathologen wurde dem deutschen Außenminister Joseph Fischer überreicht, der zu jener Zeit die EU-Präsidentschaft innehatte. Er veröffentlichte ihn nicht. Die NATO entschied aber sicherheitshalber, noch eine Legitimationsrunde für die Öffentlichkeit einzulegen. Daraufhin wurden die Verhandlungen von Rambouillet eingeschoben, mit denen Jugoslawien Bedingungen auferlegt werden sollten, die kein souveräner Staat hätte unterschreiben können (siehe jW-Thema v. 6.2.2009). Jugoslawien konnte nur Nein sagen, anderenfalls hätte es sich selbst zur Kolonie erklärt und zugestimmt, daß NATO-Truppen ganz Jugoslawien besetzen dürfen.

Wo für Außenminister Fischer in der Vergangenheit Auschwitz die Begründung gewesen war, daß deutsche Truppen auf dem Balkan nichts verloren hatten, instrumentalisierte er jetzt den Massenmord an den europäischen Jüdinnen und Juden, um einen völkerrechtswidrigen Krieg zu rechtfertigen. Nur die Grünen als frühere Pazifisten und Antifaschisten konnten mit der makabren Rechtfertigung bei einem Teil des linksalternativen und pazifistisch angehauchten Bürgertums durchkommen, wegen Auschwitz müsse sich Deutschland am NATO-Krieg gegen Jugoslawien beteiligen. Helmut Kohl (CDU) oder Guido Westerwelle (FDP) wären in dieser Rolle lächerlich und undenkbar gewesen. – Hätte eine CDU/FDP-Regierung Bomben auf Belgrad werfen lassen, hätten Sternmärsche unterstützt von SPD, Grünen und Gewerkschaftspitze die Straßen der Städte verstopft.

Milosevic – Stalin – Hitler

Am 24. März 1999 begann der Krieg. Joseph »Wilhelm« Fischer behauptete, im Kosovo gebe es einen »barbarischen«, »rohen«, gar »primitiven« Faschismus. Fischer: »Es war ein wirklicher Schock, daß Milosevic bereit war zu handeln wie Stalin und Hitler: einen Krieg gegen die Existenz eines ganzen Volkes zu führen.« Und: »Die Bomben sind nötig, um die ›serbische SS‹ zu stoppen.« Heute setzt Fischer auf das schlechte Gedächtnis der Menschen, wenn er leugnet, daß er die Situation im Kosovo mit Auschwitz verglichen und dadurch relativiert hat. Aber es ist ja nachlesbar. Fischer rechtfertigte seine Zustimmung zum Krieg kurz nach dessen Beginn: »Ich habe nicht nur gelernt: Nie wieder Krieg. Ich habe auch gelernt: Nie wieder Auschwitz.« Dem US-Magazin Newsweek antwortete er auf die Frage: »You see a direct parallel to the Nazi era?« »I see a parallel to that primitive fascism. Obviously, the ’30s are back, and we cannot accept that.«

Natürlich war Fischer nicht allein, er hatte die übergroße Mehrheit der grünen Funktionäre und seit dem Kriegsparteitag vom 14. Mai 1999 in Bielefeld auch in Sachen Krieg die Mehrheit der Partei hinter sich.

Auch manche institutionalisierten Abteilungen der früheren Friedensbewegung, z. B. die Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung, entpuppten sich als Berater der NATO und gaben martialische Ratschläge für eine siegreiche Kriegführung. Die Zustimmung des rot-grünen Lagers auch in den Medien für den Krieg war so groß, daß sich die Frankfurter Rundschau weigerte, die Kritik am Auschwitz-Kosovo-Vergleich zu veröffentlichen. KZ-Überlebende mußten im April 1999 38000 D-Mark für eine Anzeige bezahlen, um überhaupt gehört zu werden. Es war ein offener Brief an Außenminister Fischer und Verteidigungsminister Scharping: »Gegen eine neue Art der Auschwitz-Lüge – Wir Überlebenden von Auschwitz und anderen Massenvernichtungslagern verurteilen den Mißbrauch, den Sie und andere Politiker mit den Toten von Auschwitz, mit dem von Hitlerfaschisten im Namen der deutschen Herrenmenschen vorbereiteten und begangenen Völkermord an Juden, Sinti und Roma und Slawen betreiben. Was Sie tun, ist eine aus Argumentationsnot für Ihre verhängnisvolle Politik geborene Verharmlosung des in der bisherigen Menschheitsgeschichte einmaligen Verbrechens.«

Mitschuld der Grünen

Die NATO machte aus einem grausamen, aber regionalen Konflikt im Kosovo einen Krieg gegen Jugoslawien. Daß Deutschland in Person seines früheren Außenministers Hans-Dietrich Genscher (FDP) 1991 die Konflikte angeheizt hatte, indem es die nationale Eigenständigkeit der jugoslawischen Republiken Slowenien und Kroatien verkündete, gehört zu den vielen Tabus der neueren deutsche Geschichte.

Der Kosovo wurde zum Übungsgelände für die zur Einübung von NATO-internen Kooperationen auf europäischem Boden, für die Gewöhnung (nicht nur) der bundesdeutschen Bevölkerung an Kriege und zum Showroom für die Rüstungsindustrie. Der Krieg sollte den Weg nach Zentralasien freiräumen, ein Hindernis für die geostrategischen Interessen in der Region beseitigen.

Mitten im Krieg feierte die NATO auf ihrem Jubiläumsgipfeltreffen im April 1999 in Wa­shington ihren 50. Geburtstag. Die NATO erklärte sich zu einem Welt-Kriegsbündnis. Ihre Truppen umfaßten da schon mehr als vier Millionen Soldaten. Gegen wen sollen sie eingesetzt werden? Das neue aggressive Strategische Konzept wurde von allen 19 Mitgliedstaaten unterzeichnet, auch vom damaligen Bundeskanzler Schröder (SPD). Und über die Lippen von »Menschenrechtsminister« Fischer kam kein kritisches Tönchen. Das ist zu bedenken, wenn jetzt anläßlich ihres 60.Geburtstages gegen das Kriegsbündnis ­NATO demonstriert wird und irgendwelche Grünen die Friedensfahne schwenken, während deutsche Truppen auch mit grüner Zustimmung in Aghanistan morden.

Etwa 5 000 Menschen starben 1999 in Jugoslawien, auch durch die Mitschuld der Grünen. Das ist nicht vergessen.

1 1996 lancierte die USA z.B. die »Southeast European Cooperative Initiative« (SECI). Ziel: Die totale Integration aller Donauanrainer in den Kapitalismus, das volle Programm: Marktwirtschaft, Vertrauensbildung, Konfliktverhütung, Sicherheit und Stabilität